Rémy Schumm blog ingénieur

Projekt «lēgī»: Spotify für Zeitungen bzw. Disruption der Verlage?

publiziert am 22. 08. 2021 um 07:05

Wer kennt das nicht? Man will ein paar Artikel im Internet lesen, und überall muss man zahlen. Man will sogar zahlen, aber ich mal 3 Artikel in 3 Zeitungen lesen, muss ich gleich drei Monatsabos lösen: «Abozwang». So ähnlich wie früher der CD Zwang bei der Musik. Darum habe ich mich gefragt: warum gibt es in der Schweiz eigentlich kein Spotify für Zeitungen? -
Ein kleiner Aufsatz über die Idee, die Gefahr der Disruption für die Verlage, meine Prognose und vor allem meine Idee: Bezahlter Zugang zu allen Zeitungen der Schweiz. Wie bei Spotify.
Teure Abos für einen Artikel

Das Problem - ich will nicht 10 Abos!

Ich lebe in Winterthur, mich interessert darum der «Landbote». Fr. 19.- im Monat. Ok. Ich surfe rum, sehe, dass der «Tages Anzeiger» einen coolen Artikel über den neusten elektrischen VW Bus hat! Muss ich haben. Nochmals ein Abo für Fr. 30.- ? Tagespass? Hmm.
Oh, cool, die «NZZ» hat einen weiterführenden Artikel über den VW - schon wieder alles ausfüllen, Abo lösen, Fr. 36.- etc…
Anruf von meiner Nichte in Neuchâtel - sie hat die Silbermedaille im 400 m Lauf gewonnen. Artikel «L’Express». Nochmals Abo lösen. Diesmal auf Französisch.

Ich will nur 5 Artikel in 5 verschiedenen Zeitungen lesen, und will dafür auch zahlen: dafür brauche ich keine 5 Monatsabos für über Fr. 150.- Entnerft gebe ich auf und lese «20 Minuten» ohne mich zu registrieren.
Gleichtzeitig beklagen sich die Verlage über Verluste, der harte Markt und angeblich lesefaule Leute. Dabei sind die Verlage faul. Digitalisierungs-faul.

Oh, Moment. die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» hat auch noch Infos über diesen VW… ok, lassen wir es.

Die Vision - ein Abos für alle!

Ich nenne es «lēgī» (Latein: ich habe es gelesen) - und habe diese Vision: Warum machen wir nicht ein allgemeines Login für alle Schweizer Zeitungen? So ganz ähnlich wie für Spotify? Ich logge mich ein, zahle Abo, und für jeden Artikel, den ich lese, bei jeder Zeitung die mitmacht, wird etwas vergütet. So lese und zahle ich auch mal was bei der «Republik», und der regelmässige Leser der «WOZ» zahlt auch mal gerne was für einen Artikel der «NZZ». Ganz einfach.
Wir Leser haben eine viel grössere Auswahl, die Verlage und vor allem die Journalisten haben ungeahnte Einnahmequellen von Leuten, die normalerweise nie ihre Zeitung lesen würden.

Technisch - machbar!

Technisch ist so etwas überhaupt kein Problem. Für die Nerds: Es braucht einen ID Povider z.B. KeyCloak mit Logger von gelesenen Artikeln. Und noch ein paar Details. Minimaler Eingriff. Sonst bleibt alles gleich.

Warum gibt es das noch nicht

Warum haben die Verlage das noch nicht gemacht? Vermutlich wegen Kundenbindung, wollen alles nur bei ihrem eigenen Verlag haben… etc. etc. Sie stecken in der alten Papierwelt fest… eine Realitätsverzerrrung - und super gefährlich.

Disruption

Wenn die Verlage diese Entwicklung verpennen, passiert eine klassische Disruption im Verlagsgeschäft: Es werden neue Vertriebskanäle entstehen, Autoren werden ihre Artikel direkt verkaufen, und zwar bei einem Unternehmen aus Kalifornien. Wofür braucht es dann noch Verlage?
Mit dem Aufbau einer solchen Vermittller-Platform können die Verlage ihre Haut retten - und im Gegenzug vllt sogar die kleinen Autoren und kleinen Verlage abholen und betreuen.

Meine Prognose

Wenn wir die Platform im deutschsprachigen Raum nicht aufbauen, wird eine US-Amerikanische Firma genau das tun. Oder Spotify. Und die Verlage werden untergehen. Und sich beklagen, dass die Kunden nicht zahlen wollen. Ich glaube aber: die Kunden wollen zahlen. Können aber nicht. Weil die Verlage pennen. Sie werden untergehen - aus Gier und aus Angst, ihr altes Geschäft weiterzuentwicklen.

Aufruf

Darum: «Wer macht mit?» - wollte ich fragen. Diese Idee schlummert schon seit Jahren in meinem Kopf, und wie immer, wenn ich eine gute Idee habe: ein paar Jahre später kommt es. Die Verlage scheinen aufgewacht zu sein: Mit einem Login zu vielen Schweizer Medien-Portalen Aber ob es schon zu spät ist? Zu halbherzig scheint mir die Aktion… kleben die Verlage noch an ihrem alten Geschäftsmodell?
Ich bin gespannt. Wenn das jemand liest und Interesse hat… bitte melden!

Hinweis: dieser Blog wiederspiegelt meine persönliche Meinung und hat nichts mit meiner Anstellung als Dozent der zhaw noch mit anderen Anstellungen zu tun.


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